Januar 30, 2019

Fuchs, du hast das Lamm gestohlen – Der isländische Polarfuchs


Melrakki, tóa, refur – der Polarfuchs. Das einzige einheimische Landsäugetier Islands hat im Isländischen viele verschiedene Namen. Der Polarfuchs erreichte Island vermutlich während der Eiszeit über Eisbrücken. Alle anderen Landsäugetiere wurden ab dem 9. Jahrhundert von den Siedlern ins Land gebracht.

Polarfuchs – Copyright: C.B.

Kuscheliger Touristenliebling oder blutrünstiges Monster?

Die Landwirte sind auf den isländischen Ureinwohner gar nicht gut zu sprechen. Daher wird der Polarfuchs in vielen Regionen auch gejagt. Zwar ist der kleine Fuchs kaum in der Lage, erwachsene Schafe anzufallen, Lämmer jedoch kann er so schlimm verletzen, dass sie verenden. „Ich wollte es nicht glauben“, erzählt Landwirt Villi. „Wir hatten ein Lamm, das wir mit der Flasche aufgezogen hatten. Gleichzeitig haben wir drei kleine Polarfüchse aufgezogen, deren Mutter getötet worden war. Als das Lamm sich verletzte und die Baby-Polarfüchse Blut rochen, drehten sie durch. Die Drei stürzten sich auf das verletzte Lamm, bissen sich fest und verletzten es so schwer, dass wir es nicht mehr retten konnten. Die Fuchskinder waren in einem regelrechten Blutrausch.“ Auch für die Eiderenten, deren Daunen gesammelt werden, sehen die Landwirte eine Gefahr. Verständlich, dass sie keine Füchse auf ihren Grundstücken haben möchten. Früher wurde der Polarfuchs auch wegen seines Fells gejagt. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Zuchtfarmen aufkamen, fiel dieser Jagdgrund weg.

Glücklicherweise gibt es auf Island aber Schutzgebiete, wo die Füchse ungestört leben können. Allerdings vermehren sie sich dort so stark, dass die Nachkommen in neue Reviere drängen – meist in die Gebiete der Landwirte. Im Gebiet von Hornstrandir in den Westfjorden Islands wurde im Jahr 1994 ein Schutzgebiet für den Polarfuchs eingerichtet. Zeltet man in dieser abgelegenen Region, so kann es durchaus vorkommen, dass ein neugieriger Polarfuchs am Zelt vorbeischaut. Bitte nicht füttern! Mit etwas Glück kann man sogar die Jungen beim Spielen beobachten. Es ist ein ganz besonderer Augenblick, diese Tiere vom Zelt aus zu beobachten. Tollwut gibt es auf Island übrigens nicht.

Wie erkenne ich den Polarfuchs?

Der isländische Polarfuchs ist ein kleiner dunkelbrauner Fuchs. Er wiegt etwa 3 – 4 kg und kann inklusive Schwanz 60 – 90 cm lang und 30 cm hoch werden. Er ernährt sich in der Regel von Aas, Vögeln und Eiern – aber auch Insekten, Fischreste am Ufer und Beeren stehen auf dem Speiseplan.  Zum Herbst legt sich der Polarfuchs ein dickes Fettpolster für den Winter zu, das ihm als Energievorrat und zur Isolation dient. Auch werden bei reichlichem Nahrungsangebot Vorräte für die kalte Jahreszeit vergraben.

Der Polarfuchs verfügt über zwei Farbschläge, die man Blaufuchs und Weißfuchs nennt. Im Sommer sind beide Fuchsarten bräunlich gefärbt, beim Weißfuchs mit einer helleren Bauchseite. Die Blaufüchse behalten im Winter ihre bräunliche Fellfarbe, während die Weißfüchse ein weißes Winterfell bekommen. Auf Island herrscht der Blaufuchs vor. Während die Füchse im Sommer sehr schlank wirken, lässt ihr dickes Winterfell sie recht kräftig und „wuschelig“ erscheinen.

Verhalten in freier Wildbahn

Polarfuchspaare bleiben ein Leben lang zusammen. Paarungszeit ist im März / April. Einmal im Jahr bringt die Fähe (das weibliche Tier) nach etwa 50 Tagen Tragezeit im Mai / Juni 3 – 9 oder sogar bis zu 12 Junge auf die Welt. Polarfüchse ziehen ihre Jungen in einem Bau auf, der oft über viele Generationen genutzt wird. Der Bau hat mehrere Zugänge.

Ein vorsichtiger Blick aus dem Bau – schon wieder Touristen? – Copyright: C.B.

Die Jungen sind zunächst blind, taub und zahnlos. Allerdings haben sie schon ein dunkelbraunes Fell. Die Jungen werden von der Fähe mehrere Wochen lang gesäugt. Das Elternpaar zieht seine Jungen gemeinsam auf, es beschafft Nahrung und verteidigt auch das Revier gemeinsam. Wenn sich die Kleinen nach etwa 3 – 4 Wochen im Bau ans Tageslicht wagen, macht es sehr viel Spaß, ihnen beim Spielen zuzusehen. Da Polarfüchse überwiegend tag- und dämmerungsaktiv sind, lassen sie sich gut beobachten. Im Sommer wird es auf Island nicht dunkel, im tiefsten Winter kaum hell. Da muss auch der Polarfuchs mit den unterschiedlichsten Lichtverhältnissen klarkommen.

Junger Polarfuchs beim Spielen – Copyright: C.B.

Polarfüchse leben in einem festen Revier. Im Herbst werden die Jungtiere von den Eltern verstoßen und müssen den Winter alleine verbringen bzw. sich ein neues Revier suchen. Die Größe der Streifgebiete richtet sich nach dem Nahrungsangebot und liegt zwischen 8 und 60 Quadratkilometern, Größenangaben schwanken sehr stark. Im Alter von etwa 10 Monaten sind die Polarfüchse geschlechtsreif. Sie haben eine Lebenserwartung von 3 – 4 Jahren, in Gefangenschaft können sie sogar ein Alter von bis zu 14 Jahren erreichen.

Polarfüchse sind außerhalb der Paarungs- und Aufzuchtszeit Einzelgänger. Trotzdem gibt es komplexe Familienstrukturen und Sozialgefüge. So kehren viele weibliche Jungtiere immer wieder zum Bau der Eltern zurück, um einen Rückzugsort sicherzustellen, falls sie keinen Partner oder kein eigenes Revier finden. Diese jungen Single-Weibchen helfen dann auch oftmals ihren Eltern bei der Aufzucht der nächsten Generation. Die männlichen Jungtiere kehren hingegen nicht wieder zum Bau der Eltern zurück.

Klimawandel und der Polarfuchs

Vermutlich wegen der zunehmenden Erderwärmung dringen in das bisherige Verbreitungsgebiet des Polarfuchses größere Rotfüchse ein und machen ihnen ihren Lebensraum streitig. Durch die Klimaerwärmung soll außerdem Quecksilber freigesetzt werden, das über das Meerwasser in die Nahrungskette gelangt. Das Quecksilber soll sich als Emission der Kohlekraftwerke in der Nordpolarregion niedergeschlagen haben und  durch die Klimaerwärmung ins Meerwasser gelangen. Die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen geht davon aus, dass der Polarfuchs eine der durch die globale Erwärmung mit am stärksten bedrohten Tierarten ist. Akut gilt der Polarfuchs aber nicht als gefährdet.

Das Polarfuchs-Museum in den Westfjorden

Man hat dem Polarfuchs – dem eigentlichen Ureinwohner Islands – vor einigen Jahren ein eigenes Museum gewidmet, zu dem auch ein Forschungszentrum gehört. Das Museum Melrakkasetur Íslands  / The Arctic Fox Centre befindet sich in Súðavík in den Westfjorden. Häufig sind im Gehege beim Museum auch lebendige Polarfuchsjunge zu beobachten, die man wieder auswildern möchte. Das informative Polarfuchs-Museum wird auch auf einigen Rundreisen von Erlingsson Naturreisen besucht.

Text und Fotos: C.B.

Quellen:

The Arctic Fox Centre

Wikipedia 

Biologie-Schule.de

taz