November 28, 2016

Das Jedermannsrecht in Island in Theorie und Praxis


Was ist das Jedermannsrecht?

Wie in Schweden und in anderen nordischen Ländern gibt es das Jedermannsrecht in Island (almannaréttur). In der isländischen Gesetzgebung ist der Begriff jedoch sehr ungenau definiert. Im Artikel 12 des Naturschutzgesetzes wird der Allgemeinheit zugestanden, sich frei im Land zu bewegen und aufhalten zu dürfen. Das bedeutet, dass man in Island für eine Nacht wild zelten und campen kann solange man respektvoll mit der Natur umgeht und keine Spuren hinterlässt. Das Recht gesteht auch zu, Privatland auf dem nichts angebaut wird, begehen und z.B. Beeren zum sofortigen Verzehr zu sammeln zu dürfen. Die Rechte und Pflichten kann der Reisende im isländischen Naturschutzgesetz nachlesen.

Alles ganz entspannt, oder?

Das Jedermannsrecht stammt aus einer Zeit mit verhältnismäßig geringen Besucherzahlen weshalb es in der Vergangenheit selten Konflikte mit dieser Regelung gab und wildcampen toleriert wurde solange sich die Camper anständig benahmen. Die Population ist mit nur 3 Einwohnern pro km² recht überschaubar doch durch den rasand wachsenden Besucherstrom erweist sich das Jedermannsrecht in der Praxis mittlerweile als überholt. Besonders im Sommer gibt es eine regelrechte Schwemme an Besuchern aus allen erdenklichen Ländern, die mit dem Auto mitsamt Zelt oder mit dem Camper das Land erkunden. Viele kommen auch gleich mit dem eigenen Fahrzeug mit der Fähre. Im Jahr 2017 erwarten wir über zwei Millionen Touristen denen gerade mal 330.000 Einwohner gegenüberstehen. Im Jahr 2014 waren es knapp eine Million Besucher und im Jahr 2000 “nur” ungefähr eine halbe Million. Allein in den letzten drei Jahren hat sich also die Zahl verdoppelt!

Da Island als Reiseland nicht unbedingt preiswert ist und auch die Gästehäuser und Hotels in einigen Gegenden im Hochsommer restlos ausgebucht sind (was wiederum der enormen Nachfrage zu verdanken ist), erfreuen sich Camper und Zelt großer Beliebtheit. Viele Touristen haben dabei die Vorstellung, in einem wild-romantischen Island mit der Natur zu verschmelzen. Auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit wird dann das Zelt oder auch der derzeit weit verbreitete Minicamper schon mal ganz idyllisch und weit entfernt der zahlreich und um das ganze Land verteilten Campingplätze auf Privatland aufgeschlagen, selbst wenn dafür Zäune überstiegen und Tore geöffnet werden müssen. Hier bleiben Konflikte auf Dauer nicht aus.

Toleranz auf dem Nullpunkt

Das Jedermannsrecht räumt aber Landeigentümern die Möglichkeit der Begrenzung des Begehens der eigenen Gebiete z.B. mit dem Aufstellen von Schildern ein. Besonders Landeigentümer mit Sehenswürdigkeiten wie Wasserfällen, Kratern oder schönen Gesteinsformationen auf ihrem Grundstück sind die vorbeiziehenden Touristen leid, die sich Pfade trampeln oder nicht selten auch gleich ganze Schneisen fahren, ihren Müll mitsamt menschlichen Ausscheidungen in der Landschaft zurücklassen und zudem nicht selten die Unverfrorenheit besitzen, ganz nebenbei einen Blick in die Fenster der Häuser der Einheimischen zu werfen.

Auch wurden schon Zelte in Privatgärten aufgeschlagen wie im Privatgarten eines Ärtzteehepaares die nicht schlecht staunten, als sie von einem Kurzurlaub aus Dänemark zurückkehrten und zwei schlafende Männer in Schlafsäcken im Zelt entdeckten. Das sind natürlich bei weitem nicht alle die sich so benehmen, aber das Maß ist bereits soweit überschritten, dass die Isländer diesem Verhalten nicht mehr nur mit Humor begegnen können und wollen. Dadurch ist leider auch für die Einheimischen selbst die eine oder andere Naturperle nun nicht mehr zugänglich. Es wurden beispielsweise einige Höhlen geschlossen weil sich in diesen Touristen ein Nachtlager suchten. Camping-Verboten-Schilder sind längst keine Seltenheit mehr und auch auf solche Schilder trifft man immer häufiger:

 

Es wird also nur eine Frage der Zeit sein, bis das Jedermannsrecht überarbeitet, wenn nicht sogar gleich abgeschafft wird. Was die Zukunft auch bringen wird, können wir jedem Urlauber nur raten, sich an die Vorschriften zu halten und sich rücksichtsvoll in der Natur und auch anderen Reisenden gegenüber zu verhalten damit auch andere die Schönheit des Landes erleben können. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, einen Ort so zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat und dabei auf die Rechte der Besitzer acht zu nehmen. Vor allem sollte niemals abseits der Wege gefahren werden da durch die entstehenden Fahrrinnen eine Erosion der Bodens in Gang gesetzt werden kann.

Campingplätze weit und breit…

Wenn Sie campen möchten verweisen wir auf die zahlreichen Campingplätze welche meist geschützt und in schönen Landschaften zu finden sind. Mit der Campingcard können an die 50 Campingplätze rund um Island genutzt werden auf welchen man oft Duschen, Kochgelegenheiten, Waschmaschinen und W-LAN vorfindet was man nach einem langen, aktiven Tag in der Natur durchaus zu schätzen weiß. Mit der Campingcard erhält man auch einen Campingführer, in dem die Zeltplätze detailliert beschrieben sind.

Text: Anne Steinbrenner